Enttäuschung in Serie – Habitueller Abort

Unser Leser Klemens H aus Hünxe fragt: „Wir wünschen uns so sehr ein Kind. Dreimal war meine Frau schwanger, dreimal hatte sie eine Fehlgeburt. Was ist nur los?“ – Wenn zwei und mehr Schwangerschaften in einer –oft frühen- Fehlgeburt enden, spricht man von habitueller Abortneigung. Für ein junges Paar mit dem Wunsch nach Kindern ist das nicht bloß eine herbe Enttäuschung, sondern auch ein medizinisches und psychologisches Trauma, das behandelt werden muss. Etwa zwei Prozent aller Paare sind hiervon betroffen. Schon deshalb versuchen die Ärzte bereits nach einer zweiten Fehlgeburt, die Ursachen herauszufinden. Dabei geht es um sehr komplexe Zusammenhänge, die noch vor einem Jahrzehnt kaum beantwortbar waren, heute aber mit modernen Labormethoden immer öfter aufgeklärt werden können. Zu den vielfältigen Ursachen zählen vererbbare Chromosomenstörungen, eine Fehlbildung oder ein Myom der Gebärmutter, Diabetes, Schilddrüsenerkrankungen und unerkannte Infektionen. Nicht seltene Ursache sind außerdem Autoimmunerkrankungen, insbesondere das sogenannte Antiphospholipid-Syndrom (APL), oder angeborene Gerinnungsstörungen wie z. B. die Faktor V – Leiden-Mutation hat.

Weil so viele auslösende Faktoren in Betracht kommen, ist auch die Diagnostik der habituellen Abortneigung umfangreich und aufwendig. So müssen sich beide Partner einer genetischen Untersuchung unterziehen, bei der Patientin sind gynäkologische Untersuchung, Hormonanalysen, immunologische und gerinnungsmedizinischen Untersuchungen nötig. Das kann durchaus strapaziös sein und führt längst nicht in allen Fällen zu einer klaren Antwort.

Viele Frauen wissen gar nicht, dass sie eine Thrombophilie, also eine angeborene oder immunologisch bedingte Thromboseneigung, haben. Antikörper gegen APL oder ein Faktor V-Mangel führen zu gehäuften Mikrothrombosen in der Plazenta bzw. ihren Vorstufen, die schließlich das plazentare Blutgefäßsystem und damit die Versorgung des Embryos so beeinträchtigen, dass es zwangsläufig zum Abort kommt.

Lange Zeit war die Behandlung der habituellen Abortneigung ungezielt und vage. Man verordnete frühe Schonung, man gab Gelbkörperhormone oder Aspirin zur Unterstützung; all das half nur wenig. Eine zusätzlich eingesetzte Immuntherapie war zeigte kaum Erfolge und oft sogar Spätkomplikationen. Allein die Erkenntnis, dass Mikrothromben die plazentare Entwicklung behindern und zum Abort führen, brachte für viele Schwangere Hilfe. Mit einer täglichen Heparinspritze lässt sich bei ihnen die Thromboseneigung zuverlässig unterdrücken. Für den wachsenden Embryo sind die niedermolekularen Heparine unschädlich. Die Verabreichung von Heparin sollte aber rechtzeitig, spätestens in der 8. Schwangerschaftswoche beginnen und deutlich über die 24. Woche hinaus andauern; bei  ausgeprägtem APL-Syndrom sogar noch in Kombination mit Aspirin.

Auch wenn eine Schwangere mit APL oder Gerinnungsstörung sich allmorgendlich eine Spritze unter die Haut setzen muss, auch wenn sie als Risikoschwangere sorgfältiger und engmaschiger betreut werden muss, so sind das doch tolerable Maßnahmen, die jede Schwangere, die mehrere Aborte durchzustehen hatte, bereitwillig in Kauf nimmt. Dass habituelle Aborte heute viel erfolgreicher als noch vor zehn Jahren vermieden werden können, ist eine Erfolgsgeschichte der Pränatalmedizin.

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