Erstmals in der Frauenarzt-Praxis

Wenn auf den Sitzplätzen vor dem Sprechzimmer ein Teenager und seine Mutter weitestmöglichen Abstand halten, dann ist klar: Das ist keine Mutter-Tochter-Idylle. Da ist Pubertät angesagt, die Phase, in der Eltern genervt die Augen über ihr Kind verdrehen und dieses wiederum seine Eltern als peinlich empfindet. Pubertät markiert das Ende der Kindheit; die dabei ablaufenden körperlichen und seelischen Veränderungen führen zur Geschlechtsreife und zur Selbstständigkeit.

Pubertät dauert lange, bei Mädchen normalerweise vom 10. bis zum 18. Lebensjahr, Jungen sind etwas später dran. In diesem Lebensabschnitt  werden zunehmend Geschlechtshormone - Östrogene im weiblichen, Testosteron im männlichen Geschlecht - gebildet, die zur Ausreifung der primären und sekundären Geschlechtsmerkmale führen, seien es Brustwachstum, Schambehaarung , Bartwuchs, Eizellbildung in den Eierstöcken oder Spermienproduktion in den Hoden. Doch auch in den neuronalen Netzwerken des jugendlichen Gehirns erfolgen wichtige Umstrukturierungen. Das Gehirn als „Großbaustelle“ ist die Erklärung dafür, warum Jugendliche in der Pubertät so anders empfinden, sich oft nicht an „vernünftigen“ Maßstäben messen lassen und ihre Gefühle durcheinander geraten.

Schamhaftigkeit ist ein Hauptmerkmal der Pubertät. Ausgerechnet jetzt sollen Teenager zum ersten Mal zur gynäkologischen Untersuchung gehen. Das kann nicht leicht fallen, ist aber wichtig. Zur Beruhigung sei gesagt, dass eine gynäkologische Untersuchung beim ersten Besuch gar nicht vorgesehen ist. Erst einmal gibt es so viel zu besprechen; Fragen, die für junge Menschen von großer Tragweite sein können. Da geht es um Monatsblutungen, Regelschmerzen, Hygiene oder Pickel. Am wichtigsten aber sind die Themen Verhütung vor ungewollter Schwangerschaft sowie Vorbeugung vor sexuell übertragbaren Krankheiten.

Fast alle Jugendlichen sind heutzutage in der Schule, in den Medien und durch Freunde aufgeklärt worden. Vielen wäre es mehr als peinlich, wenn sie von ihren Eltern über dieses Tabu-behaftete Thema informiert oder belehrt würden. Die Aufgabe der Eltern beschränkt sich eher darauf, sich feinfühlig zu vergewissern, ob ihre Kinder über die Sexualität Bescheid wissen. Beim Erstbesuch in einer gynäkologischen Praxis sind die 12 bis 14jährigen eigentlich schon alle ordentlich informiert, viele haben sich gut vorbereitet und stellen wohl überlegte Fragen. Zum ersten Mal kommen Freundinnen gern zu zweit ins Sprechzimmer, viele Jugendliche aber auch in Begleitung ihrer Mutter oder allein.

Auf drei Aspekte sei an dieser Stelle ausführlicher eingegangen. 1. Hygiene: Nicht selten kommt die erste Blutung unerwartet, was für junge Mädchen irritierend sein kann. Auf einmal müssen sie sich mit Slipeinlagen und Binden ausrüsten. Sie sollten aber auch keine falsche Scheu vor Tampons haben, die selbst in kleinen Größen erhältlich sind. Wer Tampons benutzt, fühlt sich hygienisch sicherer und kann z. B. problemlos am Sportunterricht teilnehmen.

2. Verhütung: Wenn die Eierstöcke funktionieren und Eizellen bilden, kann eine Frau schwanger werden. Beide jugendlichen Partner sollten deshalb über Verhütung Bescheid wissen und die Verantwortung hierfür übernehmen. Auch wenn zu einer sexuellen Beziehung das Kondom anfänglich dazugehört, sollte eine junge Frau vielleicht schon die Pille nehmen. Denn unter allen Verhütungsmitteln ist die Pille immer noch das praktischste und sicherste – allerdings unter einer Voraussetzung, nämlich dass sie zuverlässig eingenommen wird. Das ist erwähnenswert, weil gesunde junge Menschen ja sonst keinen Grund haben, regelmäßig an eine Tabletteneinnahme zu denken. Pillen enthalten Sexualhormone, wie sie in ähnlicher Form von den Eierstöcken gebildet werden. Von außen zugeführt, unterdrücken diese Wirkstoffe den Eisprung und verhindern den Eintritt einer Schwangerschaft. Aufgabe der Frauenärzte ist es, den Jugendlichen die Funktionsweise der Verhütungsmittel verständlich zu erklären und zu klären, ob evtl. Risikofaktoren bestehen. Ein Teenager muss auch wissen: Wenn mal alles schief gelaufen ist, dann gibt es als Notfall-Maßnahme noch die „Pille danach“. Die ist in Apotheken frei erhältlich, doch sollte ihre Einnahme zumindest hinterher mit Ärzten besprochen werden. Ein erwünschter Nebeneffekt vieler Pillenpräparate ist, dass sie effektiv zur Verringerung von Akne und von Regelschmerzen beitragen.

3. Vorbeugung gegen sexuell übertragbare Krankheiten: Nichts im Leben ist keimfrei, auch nicht der Geschlechtsverkehr. Unter den Keimen, die zwischen den Partnern hin- und herwechseln, können auch üble Krankheitserreger sein, zu denen Warzenviren (HPV), Chlamydien, Erreger der Gelbsucht (Hepatitis B und C) und HIV-Viren gehören. Diese Liste soll nicht den Spaß verderben, sondern auf die Verantwortung für den eigenen Körper hinweisen. Wer gegen HPV und Hepatitis geimpft ist und vernünftige Sicherheitsregeln beachtet, dem kann nichts passieren.

Die Impfung gegen HPV (human papilloma virus) ist deshalb so wichtig, weil bis zu 70% der Erwachsenen Kontakt mit diesem Virus hatten, d. h. das Risiko einer unbemerkten Infektion ist hoch. In der Folge kann es zu chronischen Entzündungen des Gebärmutterhalses kommen, aus denen sich in einigen ungünstigen Fällen ein Gebärmutterhalskrebs entwickelt. Um derartige Erkrankungen rechtzeitig erkennen zu können, wird alljährlich die gynäkologische Krebsvorsorge angeboten. Die Generation der heutigen Teenies hat erstmals die Chance, durch eine simple Schutzimpfung solchen Problemen wie Krebs, Krebsvorstufen oder Warzenbildung im Scheideneingang vorzubeugen. Sie müssen nur die HPV-Impfung in Anspruch nehmen. In den Ländern, wo im Gegensatz zu uns Impfpflicht besteht, konnte die Häufigkeit von HPV-bedingten Erkrankungen um 80% gesenkt werden.

Jugendliche in der Pubertät reagieren impulsiv und sind stärker gefühlsgesteuert, vor allem innerhalb von Gruppen und im Zusammensein mit Freunden. Um den anderen zu imponieren, verhalten sie sich risikobereiter. Unkontrollierter Alkoholgenuss kann dann im Zuviel enden. Sexualität ist in solchen Situationen auch nicht mehr kontrolliert. Für verantwortliche Eltern ist das eine schwierige Zeit. Zuviel Strenge oder das Verschließen der Augen sind falsch. Mit guter Kommunikation, einer gesunden Portion Vertrauen und mit Gelassenheit sollten sie Grenzen setzen und Wege weisen. Ungewollte Schwangerschaft und sexuell erworbene Krankheiten hängen eben auch vom Bildungsgrad ab. Deshalb haben Eltern und Schule einen wesentlichen Anteil daran, dass sich Jugendliche zu stabilen Persönlichkeiten entwickeln können.

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