„Gesegnet“ mit zuviel Brust

Auf die gezielte Frage, ob ihr denn die extreme Oberweite nicht Beschwerden mache, sprudelt die 62 jährige nur so los. Nie hatte sie sich getraut, das Thema von sich aus anzusprechen, obwohl es doch ihr Hauptproblem ist. Zu viele taktlose Bemerkungen haben ihr Selbstbewußtsein längst erschüttert.

Die Makromastie, die übergroße Brust, stellt für die betroffenen Frauen ein enormes Problem dar. Sie schämen sich für ihren riesigen Busen, der alle Augen auf sich zieht, sie können sich selbst im Hochsommer nicht sommerlich kleiden, können nicht ins Schwimmbad gehen, keinen Sport treiben und ziehen sich oft resigniert aus der Gesellschaft zurück. Minderwertigkeitsgefühle und Depressionen sind die zwangsläufige Folge. Von den körperlichen Beschwerden gar nicht zu reden. Das Übergewicht der großen Brüste zieht die Schultern nach vorn und führt zu schmerzhaften Verspannungen der Rückenmuskulatur und zur dauerhaften Schädigung der verkrümmten Wirbelsäule. Der Büstenhalter, auf den die Patientin nie verzichten kann, schneidet durch den Zug der schweren Brüste zentimetertiefe Schnürfurchen in die Schultermuskulatur. Die panzerartigen Mieder, mit denen manche Frauen ihre Brust an den Körper zu pressen versuchen, verursachen nicht selten ein schwitziges Wundwerden der Haut unter der hängenden Brust.

Mit jedem Schritt und Tritt macht sich die große Brust durch ihre Pendelbewegung unangenehm bemerkbar. Jogging wäre für eine solche Patientin undenkbar. Wer sich die Beeinträchtigung nicht vorstellen kann, der hänge sich doch mal für einen Tag zwei Kilogewichte um den Hals. Längst nicht jede Patientin mit Makromastie ist übergewichtig. Das Wachstum ihrer Brust war einfach überdimensioniert und schon bald nach der Pubertät offensichtlich. Mit den Wechseljahren, wenn die allermeisten Frauen stoffwechselbedingt noch einmal zunehmen, kommt es häufig noch zu einem weiteren Wachstumsschub der Brust.

Wer sich dazu durchringt, die operative Verkleinerung der überdimensionierten Brust anzustreben, hat keinen leichten Weg vor sich. Eine solche von Gynäkologen oder plastischen Chirurgen durchgeführte Operation ist nämlich keine automatische Krankenkassenleistung. Die Kostensituation muß deshalb im Vorfeld geklärt werden. Nicht zu Unrecht weisen die Gutachter der Krankenkassen darauf hin, daß nicht jede Brust so groß ist, daß sie zwangsläufig operativ verkleinert werden müßte. Wo jedoch die objektiven Kriterien der Makromastie erfüllt sind, da sollten die behandelnden Ärzte ihren Patientinnen helfen, den Spießrutenlauf durch die bürokratischen Instanzen durchzustehen. Nicht wenige Frauen sind sogar bereit, die Kosten der Brustverkleinerung selbst zu tragen.

Vor dem Eingriff muß der auf die Brust spezialisierte Operateur sorgfältig planen, wie er am besten vorgeht, sollen doch nicht selten über 1000 Gramm Brustgewebe auf jeder Seite entfernt und gleichzeitig ein ordentliches kosmetisches Ergebnis erreicht werden. Daß dieses für viele Betroffene nicht im Vordergrund steht, zeigt die Aussage einer Patientin: „Schneiden Sie doch einfach alles ab, wenn Sie mich nur von diesem Gewicht befreien.“

Wer übergewichtig ist, müßte vor einer Operation abnehmen. Mammographie und Ultraschall vor dem Eingriff sind eine Voraussetzung, um einen möglichen Brustkrebs auszuschließen. Wundheilungsstörungen sind nach einer so großen Hautoperation nicht selten. Schon zwei Wochen nach der Krankenhausentlassung können Gymnastik und körperliches Training begonnen werden, um den verkrampften Rücken zu stärken. Für manche Frau beginnt nach der Brustverkleinerung ein neues Leben. Sie ist im wahrsten Sinn des Wortes von einer schweren Last befreit und traut sich wieder unter Menschen zu gehen.

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