Hormone ab den Wechseljahren – neue Erkenntnisse

Unsere Leserin Getrud H. aus Rees schreibt: „Ich habe Wechseljahrsbeschwerden. Meine Ärztin rät mir zu Hormonen. Aber ich traue mich nicht.“ – Davon hat wirklich jeder gehört: Hormone sind Chemie, Hormone machen Krebs. Da ist es nur zu verständlich, wenn man solches Zeug meidet. Was so offensichtlich erscheint, bedarf jedoch einer sachlichen Abwägung, insbesondere vor dem Hintergrund neuerer Erkenntnisse. Das Durchschnittsalter für das Ende der Östrogenproduktion der Eierstöcke, also der Beginn der Menopause, liegt bei 51 Jahren. Heftige Wechseljahrsbeschwerden wie Hitzewallungen, Schlafstörungen und psychische Beeinträchtigungen machen dabei nur jeder dritten Frau zu schaffen. Sobald diese Frauen die fehlenden Östrogene durch ein Hormonpräparat ersetzen, geht es ihnen besser.

Das ist aber gar nicht der Punkt, um den es hier geht. Viel wichtiger erscheint der folgende Vergleich, dass nämlich bei der stetig zunehmenden Lebenserwartung viele Frauen länger ohne eigene Östrogenproduktion leben als mit Östrogenen. Das war biologisch nicht vorgesehen, reichte doch früher die Lebenserwartung kaum über das 60. Lebensjahr hinaus. Östrogene sind aber keineswegs nur Sexualhormone, sie haben darüber hinaus vielfältige Wirkungen auf alle Organe. Sie hemmen im Knochen den Kalkabbau, sie fördern die Hirnaktivität, sie schützen Harnwege, Haut, Herz, Blutgefäße, sie beeinflussen den Zuckerstoffwechsel positiv und vieles mehr. Östrogenmangel führt umgekehrt zur Einschränkung und Alterung vieler Funktionen, und damit zur Minderung von Lebensqualität.

Noch vor zehn Jahren wurden von uns Ärzten den Frauen über fünfzig viel zu oft und unkritisch Hormone verschrieben, ja geradezu aufgedrängt. Darüberhinaus kamen veraltete Substanzen zur Anwendung, deren Einnahme ein erhöhtes Risiko für Thrombose und auch für Brustkrebs bedeutete. Das hat das Vertrauen in derartige Medikamente erschüttert. Doch heute sind wir weiter. Längst lassen sich das körpereigene Östrogen und Progesteron, das Gelbkörperhormon, exakt nachbauen (Stichwort bioidentisch). Damit kann deren langfristige Wirkung viel präziser gesteuert werden. Immer öfter werden die Hormone nicht mehr als Tabletten, sondern als Gel oder Pflaster verabreicht; da kommt man mit nur einem Zehntel der oralen Dosis aus. Während die Tabletten den Leberstoffwechsel beeinflussen, gelangen die Östrogene bei transdermaler Gabe direkt an ihre Zielorte. Das macht die Zufuhr noch gerichteter und schonender; Östrogen-Gel z. B. lässt sich ganz individuell und nach Bedarf dosieren.

Die Langzeitergebnisse zeigen es: Das Brustkrebsrisiko ist bei transdermaler Östrogengabe nicht erhöht; erste Hinweise deuten umgekehrt auf eine Reduzierung dieses Risikos hin. Auch eine Kombination mit Progesteron, die bei Vorhandensein der Gebärmutter erforderlich ist, erhöht das Risiko nicht. Darmkrebs ist unter Hormonsubstitution deutlich vermindert. Knochen, Herz und Metabolismus profitieren. Dennoch, niemand sollte sich zu einem Östrogen-Präparat drängen lassen. Aber in den Zeiten der Langlebigkeit haben die neuen Östrogene den Wert einer Prophylaxe, einer Schutzfunktion. Das sollte man bei der Abwägung von Für und Wider bedenken.

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