Schwangerschaft und Berufstätigkeit

Unsere Leserin Andrea M. aus Weeze schreibt: „Mein Schwangerschaftstest ist positiv und ich arbeite im Kindergarten. Darf ich weiterarbeiten oder muss ich ab jetzt zu Hause bleiben?“ Schwangerschaft ist doch keine Krankheit, heißt es im Volksmund. Tatsächlich bleibt aber schon bald die Mehrzahl der Arbeitnehmerinnen zu Hause, oft ungewollt. Berufstätige Schwangere unterstehen einem besonderen Schutz. Das Mutterschutzgesetz regelt genau, was Schwangere am Arbeitsplatz tun dürfen und was nicht. So sind unnötige Gefahren und körperliche Belastungen zu vermeiden. Für diese arbeitsplatzbezogene Gefährdungen gilt ein generelles Beschäftigungsverbot. Darüber hinaus bietet das Gesetz die Möglichkeit eines individuellen Beschäftigungsverbots, wenn die Fortführung der Berufstätigkeit die Gesundheit von Mutter oder Kind konkret gefährdet. Beim Auftreten von Krankheiten mit und ohne Bezug zur Schwangerschaft erfolgt hingegen die Krankschreibung. In diesem Fall besteht kein direkter Zusammenhang mit der Berufstätigkeit.

Unter ein generelles Tätigkeitsverbot fallen Flugpersonal, Busfahrerinnen oder z.B. Krankenschwestern im Op und auf Intensivstationen. Das gilt auch für Nacht- und Schichtdienst. In diesen Situationen ist gleich nach Bekanntwerden der Schwangerschaft verboten, weiterzuarbeiten. Häufig sind es auch die soziale Berufe, in denen Schwangere nicht weiterarbeiten dürfen. Hierzu gehören Kindergärtnerinnen, Lehrerinnen, Krankenschwestern, Zahnarzthelferinnen und viele andere. Grund ist das Ansteckungsrisiko durch Infektionskrankheiten. Für die meisten dieser Krankheiten existieren Schutzimpfungen, die jede junge Frau vor Eintritt einer Schwangerschaft auch erhalten haben sollte. Für Ringelröteln und Zytomegalie sind Impfungen aber nicht verfügbar. Deshalb muss von den Betriebsärzten oder Arbeitsmedizinern der Immunstatus aktuell, nach Eintritt der Schwangerschaft, geklärt werden.

Soweit die Sachlage. Arbeitsbeschränkungen oder ein abruptes Arbeitsende bereiten beiden Parteien Probleme. Arbeitgeber wissen nicht, wie die Lücken zu stopfen sind, Arbeitnehmerinnen haben oft ein schlechtes Gewissen oder würden gern weiterarbeiten, wenn man nur vernünftige Wege hierfür schaffen würde. Deutsche Gründlichkeit, komplizierte und starre Bürokratie tun das ihre dazu. Schwangere, die nicht Maximalleistung erbringen können oder wollen, werden in vielen Betrieben bald „weggemobbt“. Umgekehrt haben einige Schwangere wenig Lust zur Arbeit und suchen rasch nach Gründen für ein Beschäftigungsverbot. Ursache ist oft ein „suboptimales Betriebsklima“. Für beide Seiten kann sich solches Denken auch wirtschaftlich bzw. finanziell lohnen, werden doch die Kosten über ein Umlageverfahren erstattet. Der Arbeitgeber kann ohne Zusatzkosten eine neue Arbeitskraft einstellen, die Schwangere, die zu Hause bleibt, erhält ihr Gehalt in voller Höhe weiter. Wegen finanzieller Nachteile ist deshalb auch die AU, also Krankschreibung, für beide unattraktiv.

Wir Gynäkologinnen und Gynäkologen befinden sich da nur zu oft zwischen den Fronten. Verflixt noch mal, warum können nicht beide Seiten konstruktiv aufeinander zugehen? Warum kann man nicht die Verhältnisse am Arbeitsplatz an die Schwangerschaft anpassen, jemanden an einen stressärmeren Platz versetzen, flexibel reagieren und Verständnis füreinander aufbringen? Wir freuen mich über jeden Arbeitgeber, der seiner Mitarbeiterin gratuliert, wenn sie schwanger ist. Unsere Kinder sind unsere Zukunft. An unseren Nachbarländern, wo das Verhältnis von Schwangerschaft und Berufstätigkeit viel entspannter betrachtet wird, sollten wir uns ein Beispiel nehmen.

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