Warum kindliches Übergewicht schon im Mutterleib festgelegt wird

Unsere Leserin Julia P. aus Düsseldorf schreibt: „Nächstes Jahr wünsche ich mir ein Kind. Da hat meine Gynäkologin gesagt, vorher solle ich aber noch kräftig abnehmen. Ehrlich, das hat mich gekränkt. Was meint sie damit?“ – Heute bekommt man nicht mehr irgendwann ein Kind. Ein Lebenskonzept, zu dem die Koordinaten Ausbildung, Beruf, Einkommen und Wohnverhältnisse gehören, gibt den Zeitpunkt vor, wann ein Kind dort hinein passt. Früher purzelten Kinder ins Leben. Bei einer Geburtenrate von 1,4 Kindern pro Frau planen wir heute genau, wann unser Kind kommen soll. Die jungen Frauen, die schwanger werden wollen, haben sich gut informiert und nehmen schon im Voraus Folsäure, um Störungen der Embryonalentwicklung zu minimieren.

Was wir Frauenärzte aber feststellen, ist, dass immer mehr junge Frauen bereits übergewichtig in ihre Schwangerschaft gehen und sich darüberhinaus in den neun folgenden Monaten übermäßig ernähren. Immer häufiger überschreiten sie schon in der Frühschwangerschaft ihr Normalgewicht. Vor dem Hintergrund jüngster wissenschaftlicher Erkenntnisse begreifen wir allmählich, welche Langzeitfolgen daraus nicht nur für diese Mütter, sondern vor allem für ihre Kinder resultieren. Mütterliches Übergewicht im ersten Schwangerschaftsdrittel geht mit einem dreifachen Risiko für späteres kindliches Übergewicht und seinen zwangsläufigen Spätfolgen wie Diabetes, Hochdruck und Herzinfarkt einher. Töchter von Müttern mit Schwangerschaftsdiabetes haben ein zehnfach höheres Risiko, später selber daran zu erkranken. So wird ein Teufelskreis über Generationen hinweg vorprogrammiert.

Die Erklärung hierfür liegt in der Programmierung des fetalen Stoffwechsels im ersten Schwangerschaftsdrittel. Auch wenn ein Kind keine genetische Veranlagung für Übergewicht und Diabetes hat, kann es dennoch daran erkranken, weil es im Mutterleib den Lebensumständen der Mutter passiv ausgesetzt ist. Das ist Epigenetik und bedeutet, dass äußere Einflüsse (in unserem Beispiel die mütterliche Überernährung) quasi als Schalter die Funktion von Genen an- oder abschalten. Also angeboren, aber nicht auf direktem Weg ererbt. Nicht alles liegt in den Genen, die Umwelt- oder Rahmenbedingungen haben einen genauso wichtigen Anteil. Eine groß angelegte Vergleichsstudie an Geschwistern dient als Beweis: War die Mutter bei der Geburt des ersten Kindes normalgewichtig, so hatte dieses Kind später ebenfalls ein normales Gewicht. War dieselbe Mutter bei der Geburt ihres zweiten Kindes übergewichtig, dann entwickelte dieses Geschwister später eine Adipositas mit allen Folgen.

Hier müssen wir Ärzte unsere Patientinnen ganz besonders aufklären. Das mütterliche metabolische Milieu gibt die Zukunft der eigenen Kinder und Kindeskinder vor. Deshalb müssen junge Frauen bewusster als bisher auf eine ausgewogene Lebensführung achten, bei der Kalorienzufuhr und -verbrauch im Gleichgewicht stehen. Vernünftige Ernährung hilft ebenso wie körperliche Aktivität, das Gewicht im Normbereich zu halten. Wo viele Frauen ihre Schwangerschaft heute so sorgfältig planen, da tritt dieser Aspekt in den Vordergrund. Das mütterliche Normalgewicht ist eine entscheidende Voraussetzung für die Gesundheit des Kindes.

Zurück zur Newsübersicht